Neues aus Sportdeutschland
Der Zustand des organisierten Sports
Ergebnisse des Sportentwicklungsberichts 2023-2025: 18.862 Vereine geben Antworten über Zustand des organisierten Sports
Der Bedarf an ehrenamtlichem Engagement und eine zunehmend marode Sportinfrastruktur bereiten den Sportvereinen in Deutschland große Sorgen. Mehr als jeder sechste Verein sieht sich mittlerweile in seiner Existenz bedroht, weil er Probleme damit hat, ehrenamtlich Engagierte zu finden und im Verein zu halten. Diese dramatische Entwicklung geht aus dem 9. Sportentwicklungsbericht (SEB) der Deutschen Sporthochschule Köln hervor. Der Bericht wurde in Auftrag gegeben vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft sowie den 16 Landessportbünden und am heutigen Montag, 12. Mai, veröffentlicht.
Sportvereine in Deutschland sind eine zentrale Institution für Sport und Bewegung und nehmen eine bedeutende gesellschaftliche Rolle ein. Laut Studie sehen sie sich zunehmend als Solidargemeinschaften, denen das Gemeinschaftsgefühl und demokratische Beteiligung im Verein besonders wichtig sind. Rund 19.000 Sportvereine aus ganz Deutschland haben an der repräsentativen Befragung teilgenommen und Angaben zu ihrem Zustand und ihren Herausforderungen gemacht.
DOSB-Präsident Thomas Weikert stellt fest: „Sportvereine sind enorm wichtige Institutionen, die uns als Gesellschaft zusammenhalten und verbinden. Diese Orte gibt es heute leider nicht mehr oft. Deshalb müssen Sportvereine unbedingt gestärkt werden, damit sie diese Aufgaben wahrnehmen können, sonst macht es bald niemand mehr. Es mangelt schon jetzt leider an Menschen, die sich engagieren, und an modernen Sportstätten, in denen man sich gerne trifft. Ohne diese wichtigen Rahmenbedingungen können Vereine ihre Arbeit schlicht nicht leisten.“
„Sport wird nicht als der wichtige Bildungsakteur angesehen, der er ist“
DOSB: Frau Priemer, Ihr Forschungsprojekt hat das zivilgesellschaftliche Bildungsengagement in Deutschland untersucht. Was war der Anlass dafür?
Jana Priemer: Bildungsengagement und Zivilgesellschaft werden oftmals zu wenig zusammengedacht, obwohl es viele Überschneidungen gibt. Es hat in Deutschland eine spannende Veränderung gegeben, die mit unserem Schulsystem zusammenhängt. Bis zum Jahrtausendwechsel galt das Schulsystem als sehr geschlossen, es gab kaum eine Verknüpfung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. Dies hat sich durch die Einführung des Ganztags stark verändert, nun bestehen viele Überschneidungen. Es gab aber keine Forschung dazu, was uns zu unserem Projekt veranlasst hat. Für mich persönlich lag ein zusätzlicher Antrieb darin, dass ich mich seit 2008 mit zivilgesellschaftlichen Organisationen beschäftige und seitdem beobachte, dass gerade bildungsbezogene Aktivitäten der Zivilgesellschaft zugenommen haben - weshalb ich ein großes Interesse für dieses Themenfeld entwickelt habe.
Um einmal zu definieren, worüber wir sprechen: Was ist unter dem Begriff „zivilgesellschaftliches Bildungsengagement“ zu verstehen? Was zeichnet es aus?
Die Zivilgesellschaft ist ein weites Feld. Dazu gehören alle engagierten Menschen, die im öffentlichen Raum, unentgeltlich Aufgaben für die Gesellschaft übernehmen. Wir sprechen in der Wissenschaft von freiwillig Engagierten, wozu auch Ehrenamtliche gehören. Zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen gehören Vereine, Verbände, Stiftungen oder soziale Einrichtungen. Sie alle engagieren sich - im Idealfall - aktiv für Demokratie und für das Gemeinwohl. Als zivilgesellschaftliche Bildungsorganisationen verstehen wie jene, in denen Lernangebote gemacht werden. Bildungsmaßnahmen, die von Engagierten angeboten werden, bezeichnen wir dementsprechend als Bildungsengagement. Dabei ist es wichtig, mit einem erweiterten Verständnis von Bildung zu arbeiten. Wir lernen immer und überall: Bildung ist mehr als Schule und findet in vielen verschiedenen Kontexten statt – so auch im Sportverein.
Auf den Sport bezogen: Worin unterscheiden sich zum Beispiel in einem Verein Bildungsengagierte und andere Engagierte?
Bildungsengagierte sind Menschen, die anderen etwas beibringen. In einem Sportverein sind das klassischerweise Trainer oder Übungsleiterinnen, die ihre Gruppe in einer Sportart anleiten. Im Unterschied dazu gibt es als Beispiel Ämter wie das des Kassenwarts, die wichtige Funktionen erfüllen, aber keine Bildungsfunktion haben. Das sind andere Engagierte.
Wie viele Bildungsengagierte gibt es denn im deutschen Sport, und wie ist ihre Zahl verglichen mit anderen zivilgesellschaftlichen Bereichen einzuordnen?
63 Prozent der Engagierten im Sport sind Bildungsengagierte. Das ist der vierthöchste Wert, nur die Bereiche Bildung/Erziehung, berufliche Interessenvertretung und Wissenschaft/Forschung liegen darüber. Wenn man bedenkt, dass Sport der größte Engagementbereich in Deutschland ist, bedeutet das, dass in absoluten Zahlen betrachtet der Sport der größte zivilgesellschaftliche Bildungsakteur in Deutschland ist. Ich sage also guten Gewissens: Sport ist ein absolut wichtiger und großer Bereich für das Bildungsengagement.
FAQ: Rechtssicher positionieren
1. Welches Recht gilt für Sportvereine und -verbände unmittelbar, wenn es um „parteipolitische Neutralität“ geht? Verfassungsrecht oder Steuerrecht?
Es gilt das Gemeinnützigkeitsrecht, also Steuerrecht, für gemeinnützige Sportvereine und -verbände. Vereine und Verbände müssen demnach „parteipolitisch neutral“ sein.
Für Staatsorgane (z.B. Minister*innen, Bürgermeister*innen, kommunale Verwaltungen, …) gilt dagegen das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit für Parteien. Das Neutralitätsgebot ist ein Grundsatz, der in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben ist. Dieses verfassungsrechtliche Gebot ist weitreichender als die gemeinnützigkeitsrechtliche „parteipolitische Neutralität“ für Sportvereine.
Es gibt somit in der praktischen Umsetzung Unterschiede, die beachtet werden sollten. Kommunen müssen beispielsweise keiner oder allen Parteien eigene Räumlichkeiten vermieten. Sportvereine dürfen Unterschiede machen, allerdings müssen diese sportethisch oder sachlich plausibel begründet sein.
2. Was sagt das Steuerrecht - also das Gemeinnützigkeitsrecht - zur „parteipolitischen Neutralität“ von Sportvereinen?
Das Steuerrecht besagt, dass Sportvereine und -verbände parteipolitisch neutral sein müssen. Das bedeutet aber nicht, dass Vereine und Verbände gesellschaftspolitisch neutral sein müssen!
Denn innerhalb des Satzungszwecks, bei Sportvereinen ist es die „Förderung des Sports“, dürfen sich Vereine und Verbände positionieren, also auf die öffentliche Willens- und Meinungsbildung Einfluss nehmen. Diese Sportpolitik machen fast alle Sportvereine und -verbände regelmäßig, wenn es beispielsweise um Themen wie Sportinfrastruktur oder ehrenamtliches Engagement im Sport geht.
Auch bei vereinzelten Äußerungen von Sportvereinen und -verbänden zu tagespolitisch aktuellen Anlässen außerhalb des eigenen Satzungszwecks „Sportförderung“ wird die Gemeinnützigkeit nicht entzogen. Hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
Parteipolitik ist also kein gemeinnütziger Zweck. Es dürfen keine rein parteipolitischen Aktivitäten unterstützt werden. Parteipolitik bedeutet beispielsweise, dass eine Partei nicht grundsätzlich bevorzugt oder benachteiligt werden darf.
Nur weil Parteien bestimmte Themen behandeln, werden die Themen an sich nicht unbedingt Parteipolitik. So dürfen Sportvereine sich um Sportpolitik kümmern, auch wenn bestimmte Parteien dieselben sportpolitischen Themen auf ihrer Agenda haben.
3. Was passiert, wenn ich mich als Verein oder Verband gemeinnützigkeitsschädigend verhalte?
Es kommt darauf an, wie schwerwiegend die Schädigung ist. Das zuständige Steuer- bzw. Finanzamt wird den Fall prüfen. Dabei muss das Amt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Das kann z. B. dann angewendet werden, wenn ein Verein einmal eine Positionierung veröffentlicht hat, in der die parteipolitische Neutralität nicht gewahrt wurde, ansonsten aber das Prinzip immer beachtet.
Im Sinne einer guten Vereins- und Verbandsführung sollte das Gemeinnützigkeitsrecht immer genau eingehalten werden.
4. Muss ich die „parteipolitische Neutralität“ in meine Satzung schreiben?
Der Sportverein kann sich in seiner eigenen Satzung zu parteipolitischer Offenheit bzw. Ungebundenheit bekennen. Ein solches Bekenntnis schafft Transparenz. Jede Person weiß also, wofür dieser Verein in Bezug auf Parteien steht.
Der Verein muss sich nicht in seiner eigenen Satzung zum Neutralitätsgebot bekennen. Das ist die eigene Entscheidung des Vereins und seiner Mitglieder. Die „parteipolitische Neutralität“ laut Gemeinnützigkeitsrecht gilt aber dennoch.
5. Darf sich ein gemeinnütziger Sportverein für oder gegen eine Partei positionieren?
Nein, für gemeinnützige Sportvereine und -verbände gilt das Gemeinnützigkeitsrecht, also Steuerrecht. Demnach müssen Vereine parteipolitisch neutral sein. Die grundsätzliche Ablehnung oder Bevorzugung einer Partei als solche („Wir lehnen Partei XYZ ab“, „Wählt Partei ABC“, „Wir vermieten unsere Räumlichkeiten nur an Partei 123“) ist nicht erlaubt.
Eine Positionierung ist öffentliches Stellung nehmen. Positionieren kann sich ein Verein oder Verband beispielsweise in Form von Pressemitteilungen, durch Reden auf dem Vereinstag, durch die Organisation von oder Teilnahme an einer Demonstration, Slogans auf Trainingskleidung oder Social Media-Posts.
6. Darf sich ein Sportverein kritisch mit Inhalten von Parteien auseinandersetzen und die Haltung öffentlich zeigen?
Inhalte oder Themen „von“ Parteien sind meist Inhalte oder Themen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden und von diesen aufgegriffen werden. Oder Parteien setzen neue Themen, die ihnen wichtig sind. Aber auch solche Inhalte sind Teil der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung in einer Demokratie und keine reine Parteipolitik.
Sportvereine und, insbesondere, -verbände dürfen unter anderem Sportpolitik machen. Das heißt, sie dürfen sich auch zu sportpolitischen Positionen einzelner Parteien äußern. Dabei dürfen Parteien nicht als solche abgelehnt werden. Erlaubt ist aber, inhaltliche Positionen von Parteien in ein Spannungsfeld zu eigenen, sportpolitischen Positionen des Vereins oder Verbands zu setzen.
Auch sportethische Haltungen des Vereins, wie Antirassismus und Fairness, können in Kontrast zu Parteiinhalten oder Äußerungen von Politiker*innen stehen. Das darf benannt werden, idealerweise mit Verweis auf die eigene Satzung, in der die Werte des Sportvereins oder -verbandes festgehalten sind. Dabei ist immer auf das konkrete Verhalten oder auf Äußerungen von Parteimitgliedern bzw. Parteien abzuzielen und nicht auf eine Partei als solche. Zudem sollte solche Positionierungen durch Vereine und Verbände nur anlassbezogen, „tagespolitisch aktuell“, und vereinzelt gemacht werden.
Event-Inklusionsmanager*in im Sport: Ralph Dorn
Die Bezeichnung “Event-Inklusionsmanager” (EVI) scheint Ralph Dorn auf den Leib geschneidert. Seit seinen Antritt als EVI beim Gehörlosen-Sportverein (GSV) Karlsruhe stellt der 60-jährige bereits eine ganze Reihe Veranstaltungen auf die Beine.
Dem Karlsruher Verein ist der Ettlinger seit vielen Jahren verbunden. Sein sportlicher Werdegang beim GSV begann bereits mit 13 Jahren in der Fußball-Jugendmannschaft. Sieben Deutsche Meistertitel bei den Herren und die Berufung zum Nationaltorwart folgten.
Geschlechtergerechtigkeit im Sport - Highlights 2025 im Überblick
Ob bei Netzwerktreffen, Fachforen oder Podiumsdiskussionen - engagierte Menschen aus Verbänden, Vereinen und der Wissenschaft arbeiten daran, faire Rahmenbedingungen zu schaffen, Rollenbilder zu hinterfragen und Barrieren abzubauen. Dabei geht es um die Förderung von Frauen*, die Sichtbarkeit von LGBTIQ*-Perspektiven und die Öffnung für geschlechtliche Vielfalt.
Der DOSB engagiert sich gemeinsam mit vielen Partner*innen für eine Sportlandschaft, in der alle Menschen - unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher und sexueller Identität - gleichberechtigt teilhaben können.
Eine Auswahl zentraler Termine 2025: