Neues aus Sportdeutschland
Was das Deutsche Sportabzeichen so besonders macht
Wie eine Lokomotive auf Autopilot schiebt sich der drahtige Mann, das dünne Leibchen mit der Startnummer sechs über den freien Oberkörper gespannt, über die Laufbahn des Nidda-Sportfelds in Bad Vilbel. Runde um Runde spult er ab, sein Laufstil weist ihn als erfahrenen Ausdauerathleten aus. Seiner Pace kann niemand folgen, seine sieben Mitstreitenden überrundet er teilweise mehrmals. Im Ziel seines 3000-Meter-Laufs angekommen ist nicht zu erkennen, dass ihn der Abschluss seiner Prüfung unter der drückenden Nachmittagssonne angestrengt haben könnte. Diese Maschine pfeift nicht wie eine Dampflok aus dem letzten Loch, sie surrt minimal wie ein elektronischer Triebwagen. Anerkennender Applaus brandet auf aus Richtung des Zeltes, wo die nächsten Prüflinge auf ihren Start warten. Und Alexandra Pensky, beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) im Ressort Breitensport und Gesundheit für die Sportabzeichen-Veranstaltungen verantwortlich, spricht auf ihrem Platz hinter der Balustrade das aus, was in diesem Moment viele fühlen. „Dafür mag ich diese Veranstaltung so sehr. Die Stimmung ist einfach so schön, das ist Sport pur!“
Keine Frage: Der Auftakt der Sportabzeichen-Tour, die der DOSB seit 2004 organisiert und zu dem am Montag, den 16. Juli, über den Tag verteilt rund 600 Menschen in die mit knapp 36.000 Einwohner*innen bevölkerungsreichste Stadt im hessischen Wetterau-Kreis kamen, unterstrich eindrucksvoll, worum es beim Deutschen Sportabzeichen geht. Darum, die Vielfalt des Sports zu erleben und zu feiern; sich selbst zu persönlicher Höchstleistung zu motivieren, weil der einzige Gegner der innere Schweinehund ist und im gemeinsamen Wettbewerb mit anderen noch leichter besiegt werden kann. Darum, Herausforderungen zu meistern - und am Ende des Tages zwar nicht immer mit dem erhofften Ergebnis nach Hause zu gehen, aber doch nie mit leeren Händen.
Das Team der Ehrenamtlichen umfasst 100 Personen
„Das gefällt mir an dem Konzept so gut: Dass alle ihren Fähigkeiten und ihrem Fitnesslevel entsprechend auch niederschwellig Sport treiben können und trotzdem ausgezeichnet werden“, sagt Thomas Golla. Als Leiter des Organisationsteams hat der hauptberuflich beim Landratsamt in Bad Homburg Angestellte den Tour-Auftakt für den als Ausrichter fungierenden Sportkreis Wetterau auf die Beine gestellt. Drei Personen umfasst das Kernteam, das seit vergangenem November die Planung vorangetrieben hatte. Am Montag sind es inklusive aller freiwillig Helfenden rund 100 Personen. „Ich habe fast mein gesamtes privates Umfeld eingespannt und seit März rund 15 Stunden pro Woche ehrenamtlich gearbeitet. Das ist für eine Nebentätigkeit eigentlich zu viel“, sagt er. Aber dann die Begeisterung zu erleben, mit der die Aktiven und auch das Helferteam am Start sind, entschädige für alles. „Menschen zu bewegen und zusammenzubringen, das ist meine Mission, und dafür hat es sich für mich persönlich gelohnt!“
Seit dem Jahr 1913 wird in Deutschland ein Abzeichen für überdurchschnittliche und vielseitige körperliche Leistungsfähigkeit verliehen. Wer es erhalten möchte, muss jeweils eine Übung aus den Teilbereichen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination absolvieren und außerdem die Schwimmfähigkeit nachweisen. Die 22 unterschiedlichen Übungen haben nach Altersklassen aufgeteilte Leistungsvorgaben, die eine Verleihung in Bronze, Silber und Gold ermöglichen. Die genauen Kriterien sind hier einzusehen. Angeboten wird die Abnahme in vielen der 86.000 Sportvereine in Deutschland, gut 550.000 Menschen mit und ohne Behinderung haben im Jahr 2024 eine dieser Möglichkeiten genutzt.
„Das Wichtigste ist spannendes und überzeugendes Engagement“
DOSB: Worauf sollten Vereine bei ihrer Bewerbung für die Sterne des Sports besonders achten?
ULRIKE SPITZ: Das Wichtigste ist natürlich, dass es ein spannendes und überzeugendes Engagement ist, mit dem sich der Verein bei den „Sternen des Sports“ bewerben will. Schließlich werden Vereine ausgezeichnet, die mit ihrem Engagement den Menschen im Ort oder der Region ein tolles Angebot machen, im Verein oder außerhalb. Egal, ob es ein gesellschaftlich relevantes Thema ist oder ob ein Verein seine Vereinsarbeit weiterentwickelt und so vielleicht mehr Mitglieder gewinnen kann.
Welche typischen Fehler in den Bewerbungen sollte man möglichst vermeiden?
Zu schade wäre, wenn ein Verein mit einem tollen Engagement nicht ausgezeichnet werden kann, weil in seiner Bewerbung irgendetwas fehlt, wenn zum Beispiel nur zwei der drei Bewertungskriterien ausgefüllt sind. Also unbedingt genau lesen, was gefordert ist. Und das Schlimmste wäre, wenn ein Verein ein überzeugendes Angebot hat, sich aber nicht bewirbt, weil die Verantwortlichen sich nicht trauen oder vielleicht gar nicht wissen, dass man bei den Sternen des Sports nicht nur ausgezeichnet wird, sondern auch noch gutes Geld für die Vereinsarbeit gewinnen kann.
Was macht für dich eine besonders starke Bewerbung aus?
Wenn bei einer Bewerbung deutlich sichtbar wird, was der Sport für die Menschen leisten kann. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat es vor einigen Jahren sehr schön auf den Punkt gebracht: „Auf den ersten Blick ist Sport ein Spiel, auf den zweiten Blick ist es Gestalten der Gesellschaft.“ Ich könnte hier unzählige Beispiele aufzählen, wie das den Vereinen durch ihre Arbeit immer wieder gelingt – die Sieger und Finalisten der vergangenen Jahre (www.sterne-des-sports.de /Rückblick) zeigen das in wunderbarer Weise auf. Ich persönlich finde es auch wichtig, dass sich Vereine bewerben, die sich zum Beispiel darum kümmern, dass ihr Verein ein sicherer Ort für alle ist, oder sich mit Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit intensiv beschäftigen.
„Die große Gefahr ist, dass Vereine ihre Angebote streichen müssen“
DOSB: Thomas, der Sport findet in den Ausgestaltungen zur Verwendung des Sondervermögens bislang keine Berücksichtigung. Was waren deine ersten Gedanken, als du davon hörtest?
Thomas Weikert: Das ist eine Mischung aus Unverständnis, Ärger und Enttäuschung. Zunächst einmal möchte ich unterstreichen, dass wir im DOSB sehr dankbar dafür sind, dass im Koalitionsvertrag drei unserer Kernforderungen berücksichtigt wurden. Die politische Unterstützung unserer Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele ist sehr wichtig. Die Implementierung von Christiane Schenderlein als neue Staatsministerin für Sport und Ehrenamt halten wir für einen entscheidenden Fortschritt. Und auch die angekündigte Sportmilliarde für Investitionen in die Sportinfrastruktur ist ein richtiges Signal. Aber die 500 Milliarden Euro Sondervermögen, die für infrastrukturelle Investitionen zweckgebunden sind, sollen auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes einzahlen. Dass der organisierte Sport dabei nicht mitgedacht werden soll, ist für mich unverständlich. Ich frage mich, warum die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Sports an einigen Stellen anscheinend noch immer nicht gesehen oder verstanden wird.
Eine Erklärung dafür lautete, dass die Sportmilliarde Unterstützung genug biete. Warum ist das zu kurz gedacht?
Wir wissen ja noch nicht einmal, ob diese Milliarde pro Jahr fließen oder auf die gesamte Legislaturperiode von vier Jahren aufgeteilt werden soll. Aber angesichts eines Investitionsstaus im Bereich der Sportstätten-Infrastruktur, der mindestens 31 Milliarden Euro beträgt, ist selbst eine Milliarde im Jahr nicht ausreichend. Ich wünsche mir, dass an den entscheidenden politischen Stellen auf unsere Expertise vertraut wird. Wir haben, auch über unsere Landessportbünde, den besten Kontakt in unsere Mitgliedsverbände und -vereine. Wir wissen um die Probleme und können die notwendigen Investitionen am besten steuern.
Du hast den Investitionsstau angesprochen. Wie zeigt sich dieser konkret in den Sportstätten?
In vielen Kommunen sind die Mängel so gravierend, dass Angebote teilweise oder ganz gestrichen werden müssen. In 62 Prozent der Kommunen ist der Investitionsrückstand bei Schwimmbädern gravierend. Dabei geht es nicht nur um die Bäder an sich, sondern auch um die Umkleiden oder die Gebäude. Wenn ich dann Zahlen lese, dass mehr als 50 Prozent der Grundschüler nicht sicher schwimmen können, steigt bei mir die Sorge, dass der Investitionsstau in letzter Konsequenz dazu führt, dass mehr Menschen in Deutschland ertrinken. Das mag drastisch klingen, umso wichtiger ist es, dass wir gegensteuern. Was Sporthallen oder -plätze angeht, hat wohl jeder sein eigenes Bild davon vor Augen, wie es mancherorts aussieht. Da bröckelt der Putz von den Wänden, in den Umkleiden werden Bänke herausgerissen oder nur zwei von zehn Duschen funktionieren, Toiletten sind oft in schlechtem Zustand. Da ist viele Jahre zu wenig passiert, weil die Politik es teilweise nicht für notwendig befunden hat, die erforderlichen Investitionen zu tätigen. Diese Gleichgültigkeit und die finanziellen Zwänge der Kommunen, gepaart mit manchmal zu wenig Mut und Durchsetzungsstärke, sind ein Problem und fallen uns jetzt auf die Füße.
Was würde passieren, wenn es zeitnah nicht gelingt, den Investitionsstau abzubauen?
Die große Gefahr, die wir sehen, ist die, dass viele Vereine ihre Angebote reduzieren oder komplett streichen müssen, wenn sie ihre Anlagen nicht modernisieren können. Im aktuellen Sportentwicklungsbericht geben 19 Prozent der Vereine an, dass sie wegen maroder Anlage vor großen oder sehr großen Problemen stehen, für 4,5 Prozent sind diese Probleme sogar existenzbedrohend. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen, sondern müssen handeln. Vereine brauchen Verlässlichkeit, um insbesondere dem Nachwuchs, der in zehn oder 20 Jahren die Basis für die Leistungskader bildet, entsprechend optimale Trainingsbedingungen bieten zu können. Aber auch der Breitensport braucht diese Bedingungen. Investitionen in die Infrastruktur sind auch deshalb so wichtig, weil sie für jedes Mitglied sichtbar Veränderungen bewirken, die an der Basis ankommen. Wer sieht, dass in seinen Verein investiert wird, treibt nicht nur gern Sport, sondern wird auch motiviert, sich zu engagieren. Deshalb werbe ich nachdrücklich darum, einen Teil des Sondervermögens in den Sport zu investieren.
Das Sportabzeichen macht bundesweit in fünf Städten Station
In diesem Jahr macht die Tour in fünf Städten Halt und lädt tausende Menschen mit und ohne Behinderung jeden Alters ein, ihre sportlichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Sportliche Höhepunkte in fünf Bundesländern
Gemeinsam mit den gastgebenden Kommunen, den jeweiligen Landessportbünden und der Sparkassen-Finanzgruppe als nationalem Förderer schafft der DOSB auch 2025 wieder einzigartige Erlebnistage für Sportler*innen, Schulklassen, Vereine, Betriebe und alle Interessierten. Im Mittelpunkt stehen die vier Gruppen des Deutschen Sportabzeichens: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination. Neben dem sportlichen Wettkampf sorgen vielfältige Mitmachaktionen, Informationsstände und ein buntes Rahmenprogramm für ein sportliches Gemeinschaftserlebnis. Die Sportabzeichen-Botschafter*innen - darunter Para-Skirennfahrer Gerd Schönfelder oder die ehemalige deutsche Kunstturnerin und dreifache Olympiateilnehmerin Elisabeth Seitz - der Sparkassen Finanzgruppe begleiten, geben Tipps und feuern zu persönlichen Höchstleistungen an.
FAQs Markenrelaunch Deutsches Sportabzeichen
Dieser Soft-Launch nimmt eine Komplettumstellung des Deutschen Sportabzeichens 2026 vorweg und zeigt neben dem neuen Logo auch die Gestaltung und Farbgebung. Dabei steht der Weg zum Ziel, der Sportabzeichen-Abnahme, im Mittelpunkt. Denn wer das Deutsche Sportabzeichen ablegt, begibt sich auf eine sportliche Reise.
Dieser individuelle Weg, besteht nicht nur aus Leistung, sondern aus vielen kleinen Etappen, Herausforderungen und persönlichen Erfolgen. Es geht um Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Koordination - aber vor allem um Freude an der Bewegung. Um das Erlebnis, sich selbst zu überwinden, besser zu werden, dranzubleiben.
Das neue Logo steht ab sofort unter www.deutsches-sportabzeichen.de/materialien zum Download zur Verfügung und sollte unter Berücksichtigung der Design-Guidelines genutzt werden.