Neues aus Sportdeutschland
Vier Konzepte für Olympia in Deutschland
Mit beeindruckender Unterstützung aus der Politik, unter anderem durch die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten aus acht der 16 Bundesländer sowie zahlreiche Oberbürgermeister*innen, haben die vier Bewerberstädte und -regionen Berlin, Hamburg, München sowie Rhein-Ruhr ihre Grobkonzepte für eine Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele fristgerecht zum 31. Mai beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) eingereicht.
DOSB-Präsident Thomas Weikert würdigte das Engagement aller Beteiligten: „Wir sprechen allen vier Bewerbern unseren ausdrücklichen Dank für die Einreichung ihrer Konzepte sowie für den damit verbundenen Einsatz an Zeit und Sorgfalt aus.“ Das große Interesse sei jedoch nicht überraschend. „Es ist das Zwischenergebnis eines breit getragenen, strategischen Prozesses, den der DOSB gemeinsam mit Städten, Ländern und Bund über zwei Jahre gestaltet hat. Außerdem ist es eine direkte Folge der Reformen des IOC. Die Spiele sind dank der Agenda 2020 und der nachfolgenden Reformen wieder sehr viel attraktiver für mögliche Ausrichter geworden.“ Die Agenda 2020 war vom IOC im Jahr 2014 entworfen worden, um in 40 detaillierten Empfehlungen die Rolle des Sports in der Gesellschaft sowie die olympischen Werte zu schärfen. Kernpunkte waren die Stärkung der Athlet*innen, Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit und Einbindung der Jugend. Die Olympic Agenda 2020+5 ist die strategische Weiterentwicklung der Olympic Agenda 2020. Diese finden Sie hier.
Trendsport made in Germany: Wie Hyrox zur weltweiten Bewegung wurde
Ob Hyrox noch eine Trendsportart ist, wüsste Moritz Fürste auch gern. „Seit sechs Jahren tauchen wir in den Frühjahrslisten der Fitnessmagazine als ‚Trend to watch out for this year‘ auf. Und wir fragen uns, wie lange das noch so gehen wird“, sagt der Mann, der 2017 mit seinem Geschäftspartner Christian Toetzke den Fitnesswettkampf erfunden und innerhalb kurzer Zeit zu einem weltweiten Phänomen gemacht hat. Zahlen gefällig? Bitte sehr: Im Kalenderjahr 2025 sind weltweit knapp 110 Events mit insgesamt 850.000 Teilnehmenden geplant. Der Umsatz wird bei rund 130 Millionen Euro liegen, fast 8000 Gyms sind global als Lizenznehmer in den Hyrox-Kosmos eingebunden. Für einen Trend sind das durchaus beeindruckende Werte.
Wer Moritz Fürste fragt, was ihn in den vergangenen acht Jahren seit der Firmengründung am meisten überrascht hat, dem antwortet er mit derselben Gewissheit, die ihn als Hockey-Olympiasieger beim Spielaufbau auszeichnete. „Eigentlich gar nichts, wir haben von Beginn an daran geglaubt, dass unsere Idee funktionieren würde.“ Lediglich das Tempo der Entwicklung lasse sein Team und ihn noch manches Mal staunen. „Man erstellt im Lauf der Zeit eine Menge Businesspläne mit mehreren Varianten. Der Best Case, den wir jemals präsentiert haben, war ausgehend von 50 Veranstaltungen im Jahr ein Doppelevent an zwei aufeinander folgenden Tagen mit insgesamt 7000 Teilnehmern. Jetzt machen wir fast 110 Events, die im Schnitt vier Tage dauern, und hatten vor wenigen Wochen in Berlin die Rekordzahl von 20.000 Starterinnen und Startern. Das ist eine sehr schöne Entwicklung“, sagt er.
Premierenevent im November 2017 in Hamburg
Worin das Erfolgsgeheimnis von Hyrox, das bei Gründung noch Curox hieß, liegt? Zum einen, glaubt Moritz Fürste, haben Toetzke, der die Sportszene schon seit vielen Jahren mit seinem Einfallsreichtum begleitet, und er mit der Idee einen Nerv getroffen. „Christian hatte, bevor wir mit unserem Projekt gestartet sind, schon länger darüber nachgedacht, wie sich Fitnesstraining und Wettkampfgeist zu einem Event vereinen ließen, weil ihm in der Sparte ein ‚Mass Participation Event‘ fehlte. Und wir haben sehr schnell gemerkt, dass das vielen Menschen so ging“, sagt er. Nach dem Premierenevent im November 2017 in Hamburg, wo heute rund 50 Mitarbeitende am Hauptsitz des Unternehmens im Stadtteil Ottensen arbeiten, konzentrierte sich der studierte Marketing- und Kommunikationsfachmann, der im Juni 2018 sein letztes Bundesligaspiel bestritt und ein Jahr später vor mehr als 2.000 Fans offiziell verabschiedet wurde, komplett auf Hyrox, „weil wir gemerkt haben, dass das Thema genauso funktionierte wie erhofft.“
Zum anderen sei elementar wichtig, dass Hyrox in seinem Aufbau einfach zu verstehen und vor allem unveränderlich sei. Es gibt keine notwendige Qualifikationszeit und im Wettkampf auch kein Zeitlimit. „Wir erhalten oft Anfragen, ob wir nicht neue Übungen aufnehmen oder längere oder kürzere Distanzen anbieten wollen. Aber das wollen wir nicht. Hyrox bleibt so, wie wir es erfunden haben“, sagt er. Das bedeutet: Es gibt acht verschiedene Fitness Work-outs, an die sich jeweils ein 1000-Meter-Lauf anschließt. Die Übungen sind so konzipiert, dass alle Muskelgruppen und Körperbereiche angesprochen werden: 1000 Meter Ski-Ergometer, Sled Push und Sled Pull (Ziehen und Schieben eines Gewichtschlittens), 80 Meter Burpee-Weitsprünge, 1000 Meter Ruder-Ergometer, 200 Meter Farmers Walk mit schweren Gewichten, 100 Meter Ausfallschritte mit Sandsack und zum Abschluss 100 Wall Balls (Medizinballwürfe an die Wand). Die besten Profis bestehen die Herausforderung in deutlich unter einer Stunde. Der US-Amerikaner Hunter McIntyre brauchte im Dezember 2023 in Stockholm 53:22 Minuten, Lucy Procter aus England stellte im Februar 2024 in Wien mit 58:03 Minuten den weiblichen Weltrekord auf.
„Erinnern Sie sich noch an Headis?“
DOSB: Herr Professor Mittag, zum Einstieg sollten wir einmal die Grundlagen klären: Wie lautet die genaue Definition von Trendsport?
Jürgen Mittag: Das ist weder ganz einfach noch eindeutig, da es eine allgemeingültige und trennscharfe Trendsportdefinition bis heute nicht gibt. Trendsport ist ein Kompositum aus unterschiedlichen Bereichen, die bisweilen nach neu entwickelten Sportgeräten wie Padel-Tennis oder Spikeball), nach naturräumlichen Begebenheiten wie Snowboardfahren oder Windsurfen und bisweilen auch nach Motiven wie etwa Funsport, Extremsport, Abenteuersport) differenziert werden. In einem grundsätzlichen Verständnis kann man Trendsportarten als neue sportliche Bewegungsformen definieren, die primär von jungen Menschen in informellen, unreglementierten Kontexten praktiziert und erlebnisorientiert ausgeübt werden. Trendsportarten erfreuen sich dabei über einen längeren Zeitraum hinweg zunehmender Beliebtheit und werden von den Aktiven oftmals in ihren Lebensstil eingebunden und betont inszeniert. Definitorische Grenzen verschwimmen aber, da nicht jeder Extremsport im Trend liegt, wenn man beispielsweise an Höhlentauchen oder Eisklettern denkt.
Dann vielleicht so gefragt: Wann wird aus einer Trendsportart ein etablierter Sport?
Seitens der wissenschaftlichen Forschung sind übergeordnete Phasen identifiziert worden, die Trendsportarten gemein haben. Die erste Phase ist die Einführung einer Sportart von Pionieren, die diese entdeckt oder erfunden haben. Im zweiten Schritt gelingt die Verbreitung in einem engeren sozialen Milieu, aus dem heraus in Phase drei die Erweiterung in ein breiteres, etabliertes Milieu folgt. Die vierte Phase ist die der Reife, die von einem verstärkten Medieninteresse und der Austragung von regelmäßigen Wettbewerben geprägt wird. In Phase fünf sehen wir die Etablierung als anerkannte gesellschaftliche Praxis inklusive Marktsättigung. Und der Peak wäre als letzte Phase die Aufnahme in den olympischen Kosmos, wobei damit auch die World Games als Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten gemeint sein können.
Wie viele Trendsportarten gibt es aktuell, wie viele kommen Jahr für Jahr dazu und verschwinden auch wieder?
Das lässt sich nicht präzise beziffern, da sich Trendsportarten fortlaufend verändern – neue Sportarten entstehen, andere verlieren an Popularität oder etablieren sich dauerhaft. Schätzungen gehen von mehreren Dutzend bis über 100 verschiedenen Trendsportarten aus, je nach Definition und Betrachtungszeitraum. Eine Systematik von Sportarten ist aber auch grundsätzliche eine Herausforderung: In den 70er-Jahren ging man noch von 40 bis 50 Kernsportarten aus. Heute haben wir eine deutliche stärkere Ausdifferenzierung, im Wikipedia-Artikel zu Sportarten finden sich allein rund 500 Sportarten, von einigen wird man dabei noch nie gehört haben. Die Frage hierbei ist: Wo zieht man die Grenze zwischen einer Hauptsportart und ihren Varianten oder Subformen? Ist Padel etwa ein eigener Sport oder eine Unterform von Tennis oder Squash? Diese Diskussionen werden regelmäßig geführt und machen eine exakte Quantifizierung der Trendsportarten unmöglich.
Wer entscheidet eigentlich, ob ein Sport als Trendsport gilt? Gibt es dafür bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen?
Nein, eine offizielle Anerkennung als Trendsport gibt es nicht, man kann aber die Triebkräfte zur Verbreitung und Etablierung näher beleuchten. Wenn man das Phasenmodell zugrunde legt, ist für die Trendsportaktivität der Schritt von Phase drei zu vier entscheidend, also ob es zu einem verstärkten Medieninteresse und regelmäßigen Wettkämpfen kommt. Man kann aber nicht für alle Fälle generalisieren, welche Mechanismen wirksam werden müssen, damit sich eine Trendsportart behauptet. Zentral ist eine jugendkulturelle Szene, die dazu beiträgt, einen lebensstilerzeugenden Trend zu popularisieren, der dann eine breitere Gesellschaftsschicht durchdringt.
Das bedeutet, dass Trends primär von der jungen Generation gesetzt werden?
Das kann man so sagen. In der Altersstufe 16 bis 25 ist die größte Bereitschaft vorhanden, sich zu erproben, abzugrenzen und ein gewisses Risiko einzugehen. Diese Dinge begünstigen das Entstehen von Trends. Aber Trendsport ist nicht ausschließlich der Jugend vorbehalten. Wenn wir auf Yoga schauen – ein Sport, der jahrhundertealte Wurzeln besitzt, dessen moderne Formen wie Power Yoga, Aerial Yoga oder Hot Yoga aber durchaus trendsportähnliche Züge aufweisen, dann sehen wir eine Verbreitung auch in älteren Generationen.
Sind die sozialen Medien ein wichtiger Treiber von Trendsportarten, oder spricht das Beispiel Aerobic, das in den 80er-Jahren weltweit populär war, gegen diese These?
Beides ist richtig. Social Media hat ohne Zweifel eine hohe Bedeutung, weil darüber Trends viel schneller und mittlerweile auch über Ländergrenzen und sprachliche Kommunikationsräume hinweg breiter vermittelt werden können. Aber Aerobic ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Trends sich auch schon vor dem Zeitalter des Internets weltweit verbreiten konnten, wenn die Medienpräsenz hoch genug war. Die Schallplatten und Videos, auf denen Jane Fonda in den USA und in Deutschland vor allem Sydne Rome ihre Fitnessübungen vortanzten und erklärten, stürmten seinerzeit die Charts. Ich will aber auch auf eine jüngere Entwicklung hinweisen, der Trends heute ausgesetzt sind. Durch die anhaltende Individualisierung der Gesellschaft und die kommunikative Fragmentierung kann es – trotz der Reichweite der sozialen Medien – auch schwieriger werden, einen Massentrend zu erzeugen. Dennoch ist unstrittig, dass ihre Bedeutung für den Trendsport beträchtlich ist.
Woher kommen denn die meisten Trendsportarten?
Rückblickend sind die USA dank ihrer Verbindung zwischen Subkulturen, Lebensstil, einem vor allem für Outdoorsportarten sehr förderlichen Klima und der beträchtlichen Unterstützung der Sportindustrie der größte Trendsetter mit den günstigsten Rahmenbedingungen für Neuentwicklungen. Aber ihre ausschließliche Dominanz ist ins Hintertreffen geraten. Dies auch, weil mit Red Bull ein in Europa ansässiger Konzern den Trendsport als Marketingtool entdeckt hat. Vom Downhill Mountainbiking bis hin zum Cliff Diving werden eine Fülle von Aktivitäten und Events gefördert, die nicht zuletzt im Extrem-und Actionsport verankert sind. Angesichts der digitalen technischen Entwicklung wird auch Fernost zu einem immer wichtigeren Player im Trendsport, namentlich im E-Sport. Die Verbreitung ist auf jeden Fall differenzierter und vielschichtiger geworden. Festzuhalten ist aber auch, dass das Feld Trendsport in der Wissenschaft nicht mehr die Aufmerksamkeit erhält, die es Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre hatte. Da wurde der Erfolg zum Malus, durch die Ausdifferenzierung und Individualisierung ist es immer schwieriger geworden, Trends wissenschaftlich greifbar zu machen.
Turnfest gewinnt mit Toleranz und Weltoffenheit
DTB-Präsident Dr. Alfons Hölzl verwies zu Beginn des Internationalen Deutschen Turnfests in Leipzig während einer Pressekonferenz auf die lange Zeit der Vorbereitung. „Wir haben acht Jahre gebraucht, bis wir es nach Leipzig geschafft haben. Das Turnfest sollte ursprünglich schon im Jahr 2021 Leipzig zur Hauptstadt des Turnsports machen, jedoch wurde dieses Vorhaben aufgrund der pandemischen Lage ausgebremst. Turnfeste ermöglichen in einer einzigartigen Weise eine Kombination aus Begegnung und Sport, denn nur bei einem Turnfest gibt es das, dass eine Stadt komplett im Zeichen des Sports - des Vereinssports - steht, sagte Hölzl und verwies auf die vereinenden Kräfte, die durch Sport und Bewegung freigesetzt werden können. „Aus meiner Sicht ist das gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Das Internationale Deutsche Turnfest steht für Toleranz und Weltoffenheit.“
Mehr als 80.000 Teilnehmende und viele zusätzliche Besucher*innen reisten in der vergangenen Woche nach Leipzig und wurden dort von den insgesamt 3.500 Volunteers mit Informationen und vielem mehr versorgt. Sie nahmen an Wettkämpfen teil, besuchten Veranstaltungen als Zuschauende oder nahmen an Fortbildungen, Vorträgen und verschiedenen Veranstaltungen teil. Eine von ihnen war DOSB-Vorständin Michaela Röhrbein, beim DOSB zuständig für den Bereich Sportentwicklung. Sie absolvierte in Leipzig ihren ersten Wahlwettkampf als Teil einer Trainingsgruppe. Diese Erfahrung habe sie in ihrer beruflichen Überzeugung bestärkt: Sportentwicklung beginnt immer mit Beziehung, Vertrauen und Verlässlichkeit.
„Beim Turnfest wurde einmal mehr deutlich, was wir im Sport wirklich bewegen: Menschen, Gemeinschaft, Haltung“, postete Röhrbein im Anschluss auf ihrem LinkedIn-Profil.
Die wichtigsten Antworten zur deutschen Olympiabewerbung
Deutschland möchte sich erneut um die Austragung Olympischer und Paralympischer Spiele bewerben und das größte Sportevent der Welt nach München 1972 endlich wieder ins eigene Land holen. Der DOSB hat den Prozess dazu vor mehr als zwei Jahren angestoßen, nun liegen die ersten Konzepte von vier Bewerbern vor.
Wer sich bewirbt, was in den Konzepten steht und wie es weitergeht: Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
1. Welche Städte und Regionen haben Interesse an der Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele?
Vier Städte und Regionen haben Ende Mai fristgerecht ihre ersten Konzepte für Olympische und Paralympische Spiele beim DOSB eingereicht. Mit Berlin, Hamburg, München und der Rhein-Ruhr-Region stehen die drei einwohnerstärksten Städte sowie die größte Metropolregion Deutschlands als Bewerber um die Spiele in Deutschland in den Startlöchern. Beworben werden soll sich um die Sommerspiele 2036, 2040 und 2044. Die Flexibilität ist wichtig, weil das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch nicht entscheiden hat, in welchem Jahr die Spiele wieder nach Europa gehen sollen - und dann gilt es für Deutschland, bereit zu sein.
Neben den Bewerberstädten und -regionen haben Vertreter*innen aus den vier Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein sowie zahlreiche Oberbürgermeister ihre Unterstützung für die Bewerbungspläne des DOSB signalisiert.